Esel auf Probe
Ein Mann kaufte einen Esel, aber nicht gleich endgültig, sondern
er machte eine Probezeit aus. Als er mit ihm in seinen Hof kam, wo schon
mehrere Esel teils bei der Arbeit, teils bei der Abfütterung waren,
ließ er ihn frei laufen. Sogleich trottete der neue zu dem faulsten
und gefräßigsten Gefährten und stellte sich zu ihm an die
Futterkrippe. Da legte ihm der Mann den Strick wieder um den Hals und brachte
ihn dem bisherigen Besitzer zurück.
"So schnell kannst du ihn doch gar nicht erprobt haben", wunderte sich
der.
"O mir genügt, was ich gesehen und erfahren habe: Nach der Gesellschaft,
die er sich ausgesucht hat, ist er ein übler Bursche!"
Der Esel und der Fuchs
Ein Esel und ein Fuchs lebten lange freundschaftlich zusammen und gingen
auch miteinander auf die Jagd. Auf einem ihrer Streifzüge kam ihnen
ein Löwe so plötzlich in den Weg, daß der Fuchs fürchtete,
er könne nicht mehr entfliehen. Da nahm er zu einer List seine Zuflucht.
Mit erkünstelter Freundlichkeit sprach er zum Löwen:
"Ich fürchte nichts von dir, großmütiger König!
Kann ich dir aber mit dem Fleische meines dummen Gefährten dienen,
so darfst du nur befehlen."
Der Löwe versprach ihm Schonung, und der Fuchs führte den
Esel in eine Grube, in der er sich fing.
Brüllend eilte nun der Löwe auf den Fuchs zu und ergriff ihn
mit den Worten: "Der Esel ist mir gewiß, aber dich zerreiße
ich wegen deiner Falschheit zuerst."
Den Verrat benutzt man wohl, aber den Verräter liebt man doch nicht.
Der Wolf und der Kranich
Ein Wolf hatte ein Schaf erbeutet und verschlang es so gierig, daß
ihm ein Knochen im Rachen steckenblieb.
In seiner Not setzte er demjenigen eine große Belohnung aus, der
ihn von dieser Beschwerde befreien würde.
Der Kranich kam als Helfer herbei; glücklich gelang ihm die Kur,
und er forderte nun die wohlverdiente Belohnung.
"Wie?" höhnte der Wolf, "du Unverschämter! Ist es dir nicht
Belohnung genug, daß du deinen Kopf aus dem Rachen eines Wolfes wieder
herausbrachtest? Gehe heim, und verdanke es meiner Milde, daß du
noch lebest!"
Hilf gern in der Not, erwarte aber keinen
Dank von einem Bösewichte,
sondern sei zufrieden, wenn er dich nicht beschädigt.
Des Löwen Anteil
Löwe, Esel und Fuchs schlossen einen Bund und gingen zusammen auf
die Jagd.
Als sie nun reichlich Beute gemacht hatten, befahl der Löwe dem
Esel, diese unter sie zu verteilen. Der machte drei gleiche Teile und forderte
den Löwen auf, sich selbst einen davon zu wählen.
Da aber wurde der Löwe wild, zerriß den Esel und befahl
nun dem Fuchs zu teilen. Der nun schob fast die ganze Beute auf einen großen
Haufen zusammen und ließ für sich selbst nur ein paar kleine
Stücke über.
Da schmunzelte der Löwe: »Ei, mein Bester, wer hat dich so
richtig teilen gelehrt?«
Die Frösche und die Schlange
Die Frösche erbaten sich einst von Jupiter einen König. Er
warf ihnen einen Klotz zu. Das Getöse jagte sie anfangs in die Tiefe,
bald aber wagten sie, ihre Köpfe herauszurecken und ihren neuen König
zu betrachten, der noch auf dem Wasser schwamm; und bald hüpften sie
kühn auf ihn hinauf, verächtlich grüßten sie ihn als
König; erbaten sich dann aber doch einen andern, der auch ein bißchen
regieren könne.
Im Zorn gab ihnen Jupiter eine Schlange, welche ihre Regierung auch
sofort mit aller Strenge anfing und einen Untertanen nach dem andem verschlang.
Bald blieb dem Überrest nichts übrig, als nochmals um einen andem
Oberherrn zu bitten; allein Jupiter sprach mit Donnerstimme: "Euch ist
geschehen, wie ihr wolltet! Ertragt nun dies Unglück mit Fassung!"
Der Unzufriedene lernt immer zu spät, daß das Alte besser war.