Etwas märchenhaftes zum Einstieg

  • Von Elip dem Schmiede


    Sankt Elip, das war ein Hufschmied und er verstand seine Kunst so wohl, daß er sich ein Schild machen und über seine Thüre setzen ließ, worauf geschrieben stand: »Elip, ein Meister über alle Meister.« Ein solcher Hochmuth ärgerte unsern lieben Herrgott und er sandte Jesum auf die Erde, damit der den Elip bestrafen möge. Jesus ritt auf einem Sonnenstrahle nieder und nahm ein Schurzfell und band sich das vor; auch schwärzte er Arme und Gesicht, so daß er vollständig wie ein Schmiedegeselle aussah. So kam er zum Elip und stellte sich vor dessen Thüre und las das Schild und lachte. »Was lachst du?« fragte Elip. »Ueber dein Schild,« antwortete Jesus, »und daß du dich rühmest, ein Meister über alle Meister zu sein.« - »Das bin ich auch,« sprach Elip, »und davon habe ich Proben gegeben.« Da fragte Jesus: »In wieviel Zeit kannst du denn ein Hufeisen fix und fertig machen?« Elip lachte und antwortete: »Hoho, das stecke ich nur dreimal ins Feuer und dann bin ich fertig damit.« »Das taugt nichts,« sprach Jesus, »einmal ist genug,« aber Elip lachte und wollte es nicht glauben. Da kam just ein Reiter herangeritten und Elip sprach: »Da, Geselle, dem Pferde fehlt ein Eisen, ich sehe es ihm an; du kannst nun deine Kunst zeigen.« »Gut,« sprach Jesus. Der Reiter ritt vor die Thüre der Schmiede und stieg ab und bat Elip, das Pferd am Hinterfuße zu beschlagen, und Elip sprach: »Der Geselle da wird es thun.« Indem kam Jesus mit einer gewaltigen Schere und schnitt dem Pferde das Bein ab. Darob erzürnte der Reiter und schrie: »Was verdirbst du mir mein Pferd, du schlimmer Geselle!« aber Jesus lächelte und sprach: »Laßt mich nur machen, ich will das Bein schon wieder ansetzen;« und mit den Worten nahm er das Bein mit sich in die Schmiede und schraubte es dort im Schraubstocke fest, hielt das Eisen nur einmal ins Feuer und nagelte es ganz gemächlich auf den Huf. Dann nahm er das Bein wieder auf und setzte es dem Pferde wieder an und dieses lief noch einmal so schnell, als es gelaufen war, und der Reitersmann gab Elipen ein groß Stück Geld. Das gefiel dem Elip und er sprach zu Jesus: »Ich sehe, du bist ein wackerer Gesell und kennest die Kunst; willst du bei mir in Dienst treten?« »Warum nicht?« sprach Jesus und sie wurden des Lohnes einig und Elip sandte alsbald den neuen Gesellen zur Stadt, um Eisen zu holen. In der Zwischenzeit kam aber ein zweiter Reiter und dessen Pferde fehlte auch ein Eisen, wofür Elip ein neues aufnageln sollte. Elip lief alsbald in die Schmiede und holte die große Schere und schnitt dem Pferde das Bein ab. Darob erzürnte der Reiter und schrie: »Was verderbt ihr mir mein Pferd? Da seht nur, wie das Blut läuft;« aber Elip lächelte und sprach: »Laßt mich nur machen, ich wills schon wieder ansetzen;« und mit den Worten ging er in die Schmiede und hielt dreimal das Eisen ins Feuer und nagelte es auf das festgeschraubte Bein. Als er damit fertig war, kam er wieder heraus und wollte das Bein wieder ansetzen, aber das ging nicht, das Bein fiel immer herunter und wollte nicht halten und der Reiter tobte und schrie und faßte Elip beim Halse, um ihm den Nacken zu brechen. Da kam just Jesus mit dem Eisen aus der Stadt zurück und Elip rief ihn um Hülfe an. Jesus nahm das Bein und sagte dem Reiter, er solle Elipen lassen, denn der Schaden könne wieder geheilt werden und damit setzte er das Bein wieder an und das Pferd sprang und wieherte vor Freude, und der Reiter bezahlte seine Schuld und ritt weg. »Siehst du nun, daß du kein Meister über alle Meister bist?« fragte Jesus da den Elip und der antwortete ärgerlich: »Ja, es ist wahr« und ging zu seinem Schilde und nahm seinen großen Hammer und schlug es in Stücke.




    Dieses Märchen stammt von Johann Wilhelm Wolf, einem hessischen Märchensammler aus dem 19. Jahrhundert. Ich habe die originale Rechtschreibung beibehalten. Seht das Märchen als meinen Einstand im Forum an.
    :)

  • Mir gefällt der Schreibstil! In der Schule wollte ich nie "alte" Bücher lesen, aber inzwischen finde ich das ganz schön (ist ja meistens so: Wenn man etwas lesen MUSS, dann will man nicht und freiwillig tut man es dann gerne).