das 14te Türchen

  • HAllo Ihr LIeben ,
    heute gibt es eine Geschichte aus Doros Schulzeit !
    Traurig aber auch wunderschön und es bedarf keine weiteren Worte mehr !


    Die drei dunklen Könige


    von Wolfgang Borchert


    Er tappte durch die dunkle Vorstadt. Die Häuser standen abgebrochen gegen den Himmel. Der Mond fehlte, und das Pflaster war erschrocken über den späten Schritt. Dann fand er eine alte Planke. Da trat er mit dem Fuß gegen, bis eine Latte morsch aufseufzte und losbrach. Das Holz roch mürbe und süß. Durch die dunkle Vorstadt tappte er zurück. Sterne waren nicht da.
    Als er die Tür aufmachte (sie weinte dabei, die Tür), sahen ihm die blaßblauen Augen seiner Frau entgegn. Sie kamen aus einem müden Gesicht. Ihr Atem hing weiß im Zimmer, so kalt war es. Er beugte sein knochiges Knie und brach das Holz. Das Holz seufzte. Dann roch es mürbe und süß ringsum. Er hielt sich ein Stück davon unter die Nase. Riecht beinahe wie Kuchen, lachte er leise. Nicht, sagten die Augen der Frau, nicht lachen. Er schläft.
    Der Mann legte das süße, mürbe Holz in den kleinen Blechofen. Da glomm es auf und warf eine Handvoll warmes Licht durch das Zimmer. Die fiel hell auf ein winziges rundes Gesicht und blieb einen Augenblick. Das Gesicht war erst eine Stunde alt, aber es hatte schon alles, was dazu gehört: Ohren, Nase, Mund und Augen. Die Augen mußten groß sein, das konnte man sehen, obgleich sie zu waren. Aber der Mund war offen, und es pustete leise daraus. Nase und Ohren waren rot. Er lebt, dachte die Mutter. Und das kleine Gesicht schlief.
    Da sind noch Haferflocken, sagte der Mann. Ja, antwortete die Frau, das ist gut. Es ist kalt. Der Mann nahm noch von dem süßen, weichen Holz. Nun hat sie ihr Kind gekriegt und muß frieren, dachte er. Aber er hatte keinen, dem er dafür die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte. Als er die Ofentür aufmachte, fiel wieder eine Handvoll Licht über das schlafende Gesicht. Die Frau sagte leise: Kuck, wie ein Heiligenschein, siehste du? Heiligenschein! dachte er, und er hatte keinen, dem er die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte.
    Dann waren welche an der Tür. Wir sahen das Licht, sagten sie, vom Fenster. Wir wollen uns zehn Minuten hinsetzten. Aber wir haben ein Kind, sagte der Mann zu ihnen. Da sagten sie nichts weiter, aber sie kamen doch ins Zimmer, stießen Nebel aus den Nasen und hoben die Füße hoch. Wir sind ganz leise, flüsterten sie und hoben die Füße hoch. Dann fiel das Licht auf sie. Drei waren es. In drei alten Uniformen. Einer hatte einen Pappkarton, einer einen Sack. Und der dritte hatte keine Hände. Erfroren, sagte er, und hielt die Stümpfe hoch. Dann drehte er dem Mann die Manteltaschen hin. Tabak war drin und dünnes Papier. Sie drehten Zigaretten. Aber die Frau sagte: Nicht, das Kind. Da gingen die vier vor die Tür, und ihre Zigaretten waren vier Punkte in der Nacht. Der eine hatte dicke umwickelte Füße. Er nahm ein Stück Holz aus einem Sack. Ein Esel, sagte er, ich habe sieben Monate daran geschnitzt. Für das Kind. Das sagte er und gab es dem Mann. Was ist mit den Füßen? fragte der Mann. Wasser, sagte der Eselschnitzer,, vom Hunger. Und der andere, der dritte? fragte der Mann und befühlte im Dunkeln den Esel. Der dritte zitterte in seiner Uniform: Oh, nichts, wisperte er, da sind nur die Nerven. Man hat eben zuviel Angst gehabt. Dann traten sie die Zigaretten aus und gingen wieder hinein.


    Sie hoben die Füße hoch und sahen auf das kleine schlafende Gesicht. Der Zitternde nahm aus seinem Pappkarton zwei gelbe Bonbons und sagte dazu: Für die Frau sind die.
    Die machte die blassen Augen weit auf, als sie die drei Dunkeln über das Kind gebeugt sah. Sie fürchtete sich. Aber da stemmte das Kind seine Beine gegen ihre Brust und schrie so kräftig, daß die drei Dunklen die Füße aufhoben und zur Tür schlichen. Hier nickten sie nochmal, dann stiegen sie in die Nacht hinein.
    Der Mann sah ihnen nach. Sonderbare Heilige, sagte er zu seiner Frau. Dann machte er die Tür zu. Schöne Heilige sind das, brummte er, und sah nach den Haferflocken. Und er hatte kein Gesicht für seine Fäuste.
    Aber das Kind hat geschrien, flüsterte die Frau, ganz stark hat es geschrien. Da sind sie gegangen. Kuck mal, wie lebendig es ist, sagte sie stolz. Das Gesicht machte den Mund auf und schrie. Weint er? fragte der Mann.
    Nein, ich glaube, er lacht, antwortete die Frau.
    Beinahe wie Kuchen, sagte der Mann und roch an dem Holz, wie Kuchen. Ganz süß.
    Heute ist ja auch Weihnachten, sagte die Frau.
    Ja, Weihnachten, brummte er, und vom Ofen her fiel eine Handvoll Licht auf das kleine schlafende Gesicht.
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    Danke liebe Doro :druck2 !


    Und Ihr ? Hab ihr auch mal so aus dem Nichts von Fremden etwas bekommen ? Etwas was euch den Tag gerettet hat ? Etwas was euch warm im Herzen gemacht hat ? Etwas was einfach schön war weil es unverhofft gekommen ist ?


    :sonne Ich wünsche Euch allen einen schönen Dienstag !



  • Ich bin ganz überrascht und freue mich, an Wolfgang Borchert erinnert zu werden. Er war einer meiner Lieblingsautoren, als ich so ca. 15-16-17 Jahre alt war (da hatte ich ihn entdeckt)...
    Und: Ja. Eigentlich ist in meinem Leben, früher, immer an den Punkten, wenn mal alles ganz tief unten war, irgendwie jeweils jemand unverhofft aufgetaucht, der es gerettet, oder mit einem Rat weitergeholfen hat.

  • Eine schöne Geschichte, danke Doro und Zamba!
    Ich erinnere mich, dass einmal kurz vor Weihnachten eine Nachbarin bei mir klingelte. Ich kannte sie kaum, ihr Sohn hatte ein paar Mal mit meinem gespielt. Sie brachte mir einen bunten Teller mit selbstgebackenen Plätzchen und wünschte uns ein fröhliches Weihnachtsfest. Das hat mich sehr überrascht und gerührt. Zumal es hier bei uns im Hochhaus doch eher etwas anonymer ist. Da dauert es doch etwas länger, bevor man die Leute etwas kennt und solche liebe Geste hatte ich bis dahin noch nicht erlebt.
    LG Jamie

  • Danke Doro und Zamba für die schöne Geschichte, kann da auch ne weihnachtsgeschichte erzählen die wir selber erleben durften.


    wir waren vor weihnachten bei der diakonie weil es uns auch sehr schlecht ging vor zwei jahren. hatten ein gespräch mit der dame dort. wir bekamen dann eine kleine hilfe und gingen nach hause. gegen abend fuhr ein auto mit anhänger vors haus, da denkt man sich ja nichts wenn man in nem 3 fam. haus lebt. es klingelt, und vor der tür stand ein herr den ich in der diakonie schon kurz gesehen hatte.
    der nette herr hatte mitbekommen wie es bei uns aussieht, und hat uns tatsächlich einen weihnachtsbaum gebracht. einfach so.
    so war dieses weihachten noch ein bisschen schöner.


    und genau, wir sind hier von lauter lieben "königen" umgeben. hier gibt es so viele menschen die helfen und aufeinander schauen, die dinge machen wo es einem warm ums herz wird. DANKE dafür
    lg :bear: